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Offener Brief an den Stadtrat und die Bürgerinnen und Bürger von Deggendorf

Sehr geehrte Mitglieder des Stadtrats, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger von Deggendorf,

mit diesem offenen Brief möchten wir unsere tiefe Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen im Stadtrat bezüglich der Verkehrspolitik unserer Stadt äußern.

In der Stadtratssitzung am 21. Oktober 2024 wurde der von etwa 450 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnete Antrag des Bündnisses Klimaentscheid abgelehnt, während gleichzeitig ein europaweites Vergabeverfahren zur Planung einer neuen Donaubrücke beschlossen wurde.

Damit steht die aktuelle Verkehrspolitik unserer Stadt an einem kritischen Punkt: Einerseits wurde und wird der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs (ÖPNV) und des Radverkehrs wiederholt aufgeschoben, andererseits sollen allein für die Planung einer weiteren Straßenbrücke mehr als sechs Millionen Euro investiert werden.

Widersprüche in der Verkehrspolitik

Der Fraktionsvorsitzende der CSU, Herr Linsmaier, führte in der Stadtratssitzung an, dass „große Teile des Bürgerantrags bereits erledigt oder kurz davor seien, erledigt zu werden.“ Dies steht jedoch im krassen Gegensatz zu den Fakten:

  • Nahverkehrskonzept: Dieses Konzept wurde im Stadtrat zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht beschlossen. Dies bedeutet, dass in den nächsten Jahren keine Verbesserungen im ÖPNV für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt umgesetzt werden.
  • Radverkehrskonzept: Obwohl dieses Konzept beschlossen wurde, fehlt ein konkreter Plan zur Umsetzung der Maßnahmen mit Zeitvorgaben. Ohne klare Handlungsanweisungen und Fristen wird sich an der unzureichenden Fahrradinfrastruktur im Stadtgebiet nichts ändern. Ein Beschluss in diesem Sinne, dass z. B. die im Konzept geplanten Fahrrad-Haupt- und Nebenwege bis z.B. 2030 durchgängig ausgebaut sein sollen, wurde weder diskutiert noch gefasst.
  • Verkehrsentwicklungsplan: Dieser Plan ist noch nicht fertiggestellt, und es gibt bisher keine klaren Informationen, wann dieser Plan abgeschlossen wird und welche Maßnahmen daraus resultieren werden.

Der Verkehrsentwicklungsplan soll angeblich Zielgrößen enthalten, z.B. wie hoch die Verkehrsanteile von Rad und ÖPNV bis zu bestimmten Jahren sein sollen.

Wie sehen diese Zielgrößen aus? Wie wurden diese festgelegt? Warum erhalten die Bürgerinnen und Bürger keine Gelegenheit, sich zu diesen, doch sehr zentralen Größen zu äußern? Der Bürgerantrag hatte, anders als Herr Linsmeier das missverstanden hat, nicht zum Ziel, das Radwegenetz oder den ÖPNV ein zweites Mal zu planen; sondern zu ermitteln, mit welchen der im ÖPNV- und Radwegekonzept enthaltenen Maßnahmen wie viel an Verkehrsverlagerung und Entlastung vom KFZ-Verkehr erreicht werden kann. Mit ermittelt werden sollte, welche Kosten dafür anfallen. Zu diesem Kern des Antrags hat sich weder die Verwaltung geäußert, noch wurde dieser Kern des Antrags in der Stadtratssitzung diskutiert und behandelt. Der Verkehrsentwicklungsplan mag dazu Aussagen enthalten, diese sind jedoch bisher geheimes Herrschaftswissen der Verwaltung und von Teilen des Stadtrates.

Trotzdem wird das Millionenprojekt der neuen Donaubrücke bereits vorangetrieben, obwohl die Alternativen zur Entlastung des innerstädtischen Verkehrs in Form der Nutzung anderer Verkehrsträger neben dem Auto umfassend untersucht wurden. Untersucht wurden dagegen Alternativen innerhalb des Systems Straße – aber selbst diese Untersuchungen sind nicht vollständig.

Forderungen des Klimaentscheids: Vernachlässigt und abgelehnt

Der Bürgerantrag „Besser vorankommen in Deggendorf mit ÖPNV und Rad“ zielte darauf ab, nachhaltige und zukunftsorientierte Mobilitätslösungen zu fördern. Es wurde gefordert, Machbarkeitsstudien zu erstellen, die den Einsatz von öffentlichen Verkehrsmitteln und den Radverkehr verstärkt in den Fokus rücken, um eine wirkliche Entlastung der Stadt vom Autoverkehr zu erreichen.

Darüber hinaus sollte geprüft werden, wie die Innenstadt und besonders belastete Stadtteile durch eine veränderte Verkehrsführung, insbesondere für den LKW-Verkehr, entlastet werden könnten. Der Antrag fordert, bis zur Fertigstellung dieser Studien keine weiteren Planungen für neue Straßen- und Brückenbauprojekte – insbesondere die Donaubrücke – zu beginnen. Doch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Eine Donaubrücke ohne Untersuchung der nachhaltigeren Alternativen?

Herr Linsmaier erklärte zudem, der Ausbau von ÖPNV und Radverkehr stehe nicht im Widerspruch zum Bau der neuen Donaubrücke. Doch die Realität zeigt: Der Verzicht auf verbindliche Beschlüsse und Zeitpläne für den Nahverkehrs- und Radverkehrsausbau spricht eine andere Sprache. Außerdem gilt, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann. Geld, dass für die Planung der Brücke ausgegeben wird (laut Machbarkeitsstudie knapp 6 Mio. Euro, mit Preissteigerungen noch deutlich mehr), wird für den Ausbau des Radwegenetzes fehlen (mit Gesamtkosten – Planung und Bau – laut Schätzung im Radwegekonzept weniger als 5 Mio.).

Dass das Radwegenetz im Stadtgebiet bisher nicht mehr als Stückwerk ist, geht auf das Konto eben dieser, bereits über Jahrzehnte praktizierten Politik. Daran wird der, noch dazu missverständlich gefasste Beschluss zum Radwegekonzept wenig ändern. Wenn dagegen bereits jetzt Millionenbeträge in den Bau einer neuen Brücke investiert werden, ohne dass gleichzeitig konsequent alternative Verkehrslösungen gefördert werden, führt das langfristig nicht zu einer echten Entlastung der Verkehrssituation in Deggendorf. Vielmehr wird damit ein weiteres Straßenbauprojekt realisiert, das den Autoverkehr verstärken wird. Die Stauprobleme werden dann an einen geplanten Kreisel an der Hans-Krämer-Straße verschoben.

Unser Appell an den Stadtrat

Wir fordern den Stadtrat und insbesondere die Verantwortlichen in der CSU-Fraktion auf, eine nachhaltige und zukunftsweisende Verkehrspolitik für Deggendorf zu verfolgen. Das bedeutet, den Ausbau von ÖPNV und Radverkehr nicht fortwährend auf die lange Bank zu schieben, sondern einen konkreten Zeitplan und konkrete Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen. Dazu gehört auch, wie oben beschrieben, die Alternativen zu einer neuen Donaubrücke intensiv zu prüfen, bevor Millionenbeträge in eine Planung fließen, die das Herzstück des Naherholungsgebiets Donaupark zerstören und am Ende keine nachhaltige, sprich ursächliche Lösung für die Verkehrsprobleme unserer Stadt bringt.

Haben Sie Ihre eigenen Beschlüsse vergessen?

Erinnern wir uns daran, dass der Stadtrat in seiner Sitzung am 20. Dezember 2021 das Rahmenklimaschutzkonzept einstimmig mit 36:0 Stimmen beschlossen hat. Die Verwaltung wurde beauftragt, die Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen vorzubereiten. Mit der Neuaufstellung dieses Konzeptes wurde auch das ambitionierte Ziel formuliert, dass die Stadt Deggendorf bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität erreichen möchte.

Doch angesichts der aktuellen Entscheidungen stellt sich die Frage: Haben die Stadträte der CSU, der Jungen Liste, WAN und SPD ihre eigenen Beschlüsse vergessen? Eine Stadt, die sich ernsthaft dem Ziel der Klimaneutralität verschreibt, kann es sich nicht leisten, den ÖPNV und Radverkehr weiterhin zu vernachlässigen und gleichzeitig Millionen in neue Straßenbauprojekte zu investieren, die den motorisierten Individualverkehr fördern.

Es ist an der Zeit, die Bürgerinnen und Bürger Deggendorfs sowie die Interessen der kommenden Generationen ernst zu nehmen und eine echte Wende in der Verkehrspolitik herbeizuführen – für eine lebenswerte, umweltfreundliche und zukunftssichere Stadt.

Mit freundlichen Grüßen,
Klimaentscheid Deggendorf