Die Gemeinde Furth im Landkreis Landshut befindet sich im westlichen Niederbayern. Sie ist die erste deutsche Modellgemeinde der Europäischen Kommission für erneuerbare Energien. Zudem agiert sie weiterhin als Modellgemeinde der bayerischen Staatsregierung für die Bereiche Nahversorgung und Energie. Ca. 3800 Einwohner leben in Furth. Die landschaftlich sehr reizvolle Region ist geprägt von einer Vielzahl von Kapellen und Kirchen, der Ort selbst durch sein Maristenkloster. Brigitte Eichinger (KEB) begrüßte über 40 Zuhörer/innen des Online-Vortrags, darunter Landratskandidatin Maren Lex von Bündnis90/Die Grünen sowie mehrere Gemeinderatsmitglieder und Bürgermeister aus dem Landkreis Deggendorf. „In Furth zu wohnen ist etwas ganz Besonderes!“ zitierte sie ihre Schwägerin, die in einer Nachbargemeinde lebt.
Ziel: Versorgung zu 100 % aus erneuerbaren Energien
Was Furth so besonders macht, trug Dieter Gewies (Bürgermeister von 1996 – 2014 und Ehrenbürger der Gemeinde) mit viel Herzblut vor. „Furth ist nicht besonders. Besonders ist eigentlich die Situation anderswo,“ meinte er uneitel schmunzelnd: 1999 hatte der Further Gemeinderat auf Gewies` Anregung hin beschlossen, zu 100% auf erneuerbare Energien umzusteigen und dieses Ziel ökologisch, ökonomisch und sozial bei allen kommunalen Maßnahmen zu berücksichtigen. Heute ist dies bei der Wärmeversorgung zu 70 % und bei der Stromerzeugung zu 102 % erreicht und die finanzielle Lage der Kommune hat sich gleichzeitig durch die Umstellung auf erneuerbare Energien verbessert.
Biomasse-Heizkraftwerk als Basis
Eine große Säule ist dabei das 800 Kilowatt-Biomasseheizkraftwerk im Gemeindebesitz mit angebauter Kraftwärmekopplung. 1500 Tonnen Hackschnitzel werden hier jährlich verheizt. Das verwendete Material stammt ausschließlich aus der Region, wie z.B. Hackschnitzel von Schadholz aus den umliegenden Wäldern, das anderweitig nicht verwendet werden kann, Abfall einer Christbaumplantage, Landschaftspflegematerial und Baumschnitt sowie Gartenschnitt von Bürgern. Die so erzeugte Wärme ist kostengünstiger als eine Ölheizung und wird über ein bis zu 3 km langes Leitungssystem im Ort verteilt. Gleichzeitig wird in einer angebauten Kraftwärmekopplung Strom aus Holzgas erzeugt und die Abwärme dieses Prozesses wiederum genutzt. Zusätzlich gibt es im Ort noch 10 kleinere Nahwärme-Anlagen.
Mehr als 500 Photovoltaik-Anlagen in der Gemeinde
„Photovoltaik auf dem Dach ist in Furth ein Statussymbol geworden!“ berichtet Gewies. So fließen nicht unnötig Gelder nach außen ab, die Wertschöpfung bleibt in der Region. In Furth gibt es aktuell 526 PV-Anlagen. Dass dies so ist, liegt auch daran, dass es sich um die billigste Energie handelt, eine Photovoltaikanlage nach ca. 13 Jahren abbezahlt ist und danach bei einer Lebensdauer von häufig über 30 Jahren Gewinn erzielt.
Das alte Schulhaus der Gemeinde mit dünnen Wänden und schlechten, verzogenen Fenstern wurde energetisch komplett umgebaut und hat dadurch auch ästhetisch gewonnen. Außerdem wurden in Kooperation mit Landwirten Biogasanlagen errichtet, die vor allem dann wichtig sind, wenn im nachts und im Winter die Sonne nicht scheint. Hier versuche man vom Mais wegzukommen und hofft zeitnah auf dringend nötige neue gesetzliche Möglichkeiten.
Die wichtigste Säule des Further Energiekonzepts ist Energie-Sparen. In diesem Zusammenhang nennt er Null-Energie- und Plus-Energie-Häuser, energiesparende Geräte, Dämmung und Umstellung der Wärmeerzeugung von Altbauten, E-Autos, die zu 90 % mit Strom vom eigenen Dach fahren usw.
Diskussion: Umstellung auf erneuerbare Energien ist nicht wirklich schwierig
Nach dem gelungenen Vortrag konnten die Zuhörer Herrn Gewies Fragen stellen. Georg Kestel vom BUND Naturschutz Deggendorf eröffnete mit einer Frage, die sich ihm nach all den Erfolgsgeschichten aufdrängte: „Bei ihnen hört sich das alles so leicht und einfach an. Was war die größte Schwierigkeit bei der Umstellung?“ Die Antwort, dass es tatsächlich keine besonderen Schwierigkeiten gegeben habe und die Umstellung viel einfacher sei als man sich vorstelle, mag überraschen. Gewies betonte aber, dass es dann einfach sei, wenn man die Bürger von Anfang an mit ins Boot hole, da sich dabei für alle Vorteile finanzieller Art, durch Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region, in Form einer unabhängigen, günstigen Energie-Versorgung sowie in der Zusammenarbeit mit Landwirten ergeben würden.
Maren Lex, Landratskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, die besonders beeindruckt von der Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg war, wollte wissen, ob es auch ein „Überschwappen“ der Ideen auf Nachbarkommunen gibt, die sich Furth zum Vorbild nehmen. „Rundum merkt man die Wellen wie bei einem Stein, der ins Wasser geworfen wird,“ so Gewies. Im Laufe der Zeit haben sich ca. 40000 Besucher von überall her, auch aus dem Ausland, in Furth über erneuerbare Energien informiert. Besonders stolz sei er, dass die polnische Partnergemeinde Krupski Mlyn viele Ideen aus Furth übernommen habe und die Energiewende Japans bei einem Besuch von Staatsgästen „am Küchentisch in Furth mit über 36 Milliarden Euro Investition entschieden“ wurde.
„Was empfehlen Sie jedem Bürgermeister zu machen?“ war eine Frage von Rainer Schenk, der sich laut eigener Aussage seit einem Besuch in Furth vor 30 Jahren für die Energiewende engagiert. Gewies empfiehlt politisch Verantwortlichen professionelle Planungshilfe und Einbeziehung der Bürger von Anfang an.
„Wenig Geld in der Gemeindekasse, dafür eine Vision und ein Bürgermeister, der diese umzusetzen versteht! Dieter Gewies hat seine Bürgerinnen und Bürger mit seiner Begeisterung für grünes Wirtschaften anstecken können“, resümierten die Aktiven vom „Klimaentscheid Deggendorf“ nach der Veranstaltung. Zahlreiche Preise und Auszeichnungen sprechen für sich.