Im Zentrum der Konferenz stand der Ausbau der A3 auf sechs Spuren, mit Neubau der Brücke über die Isarmündung. Die Mitglieder der Aktionsgruppe „Klimaentscheid Deggendorf“ sehen die diskutierten Straßenbauprojekte jedoch als Weg in die völlig falsche Richtung.
Zunehmender LKW-Verkehr gehört auf die Bahn – damit beschäftigt sich die „Infrastrukturkonferenz“ überhaupt nicht, genauso wenig wie mit dem Klimaschutz
„Genannt wird als Grund für den Ausbau der angeblich weiter zunehmende Verkehr. Nach den Zahlen der Straßenbauer selbst geht das aber an der A3 ausschließlich auf angenommene Steigerungen beim LKW-Verkehr zurück. Dieser Verkehr gehört jedoch vermieden oder auf die Schiene und nicht auf die Straße. Dass nicht schon längst die Bahn ausgebaut worden ist, liegt am Versagen der früheren Verkehrsminister Ramsauer, Dobrindt und Andreas Scheuer, alle von der CSU, sowie des jetzigen Verkehrsministers Volker Wissing von der FDP“, erklärt Georg Kestel, Vorsitzender des BUND Naturschutz Deggendorf, und ein Mitglied der Aktionsgruppe.
„Es ist eine krachende Themaverfehlung und Verkehrspolitik aus dem letzten Jahrtausend, wenn MdB Erndl, laut Bericht, sich ausschließlich mit dem KFZ-Verkehr beschäftigt, keine Sekunde dagegen mit der Bahn – die z. B. Güterverkehr aufnehmen müsste – oder mit dem ÖPNV in der Region. Dabei gehört Niederbayern zu den am
schlechtesten versorgten Regionen in Deutschland“, ergänzt Klaus von Eichhorn, für Parents for Future und im Klimaentscheid Deggendorf aktiv. „Dass auch kein Schnipsel über die Klimaeffekte der erwarteten Baustellen, wie auch des zusätzlich erzeugten Verkehrs gesprochen wurde, schlägt dem Fass den Boden noch gänzlich aus.“ Auch in Bezug auf das geplante BMW-Werk sei mit keiner Silbe davon die Rede, dass der zusätzliche Verkehr auf der Bahn laufen solle bzw. auch alternativ Flächen, wie die der Papierfabrik Plattling, hierfür neu genutzt werden müssten.
CSU und Staatsregierung nehmen ihre eigenen Klimaschutzziele nicht ernst
Aus dem Bericht zur „Infrastrukturkonferenz“ werde auch deutlich, wie wenig ernst die CSU in Bayern bisher die Aufgabe des Klimaschutzes tatsächlich nehme. „Wie wollen Erndl und die Verkehrsplaner das von der Staatsregierung selbst gesteckte Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2040 erreichen, wenn alles, was sie ernsthaft tun und finanzieren, in die falsche Richtung geht? Allein im Landkreis soll nach den vorgestellten Plänen fast eine halbe Milliarde Euro für den Straßenbau ausgegeben werden“, rechnet Petra Bachmeier, ebenfalls von Parents for Future, vor.
Die Fahrradinfrastruktur kommt nicht vor – obwohl die Staatsregierung selbst den Anteil des Radverkehrs bis 2025 auf 20 % verdoppeln will
Rolf Sihr (ÖDP), beim Radentscheid Bayern wie dem Klimaentscheid Deggendorf aktiv, kritisiert, dass bei der Konferenz die Infrastruktur für das Rad nicht vorkam. „Im Umkreis bis 10 km um die Städte wird das Rad in der Zukunft eine entscheidende Rolle spielen – auch das hat die Staatsregierung selbst beschlossen, sie will immerhin den Verkehrsanteil des Fahrrads bis 2025 auf 20 % verdoppeln. MdB Erndl hat auf diese Aufgabe und die Herausforderung, endlich ein geschlossenes und brauchbares Fahrradwegenetz auch in bayerischen Städten zu errichten, keine Antwort.“ Mit dem „Radgesetzchen Bayern“, dass die Staatsregierung als Antwort auf das Rad-Volksbegehren erlassen habe, werde man dagegen nicht weit kommen: „Die vom zuständigen Bauminister Bernreiter vor einigen Wochen großartig verkündeten 1500 Kilometer neuen Radwege bis 2030 bedeuten im Schnitt lediglich 91 Meter pro Jahr und Gemeinde. Auch das zeigt, dass endlich massiv Mittel vom Straßenbau in Richtung Rad und ÖPNV umgeschichtet werden müssen.“
Staatsregierung produziert in Sachen Klimaschutz lediglich Ampel-Bashing, Papier und heißer Luft – jedoch keine greifbaren Ergebnisse
Laut Klimaentscheid verfehlt die reale Verkehrspolitik im Freistaat auf ganzer Linie allein schon die selbst gesteckten Ziele. Die Gruppe zitiert das von der bayerischen Staatsregierung im Jahr 2022 beschlossene Klimaschutzprogramm zum Thema Verkehr: „Das kann nur heißen: unsere Mobilität muss sich ändern. Hierzu stellt Bayern die Weichen für einen klimaverträglichen Verkehr. Aus einem Automobilland muss ein Elektromobilland, ein ÖPNV- und SPNV-Land und ein Fahrradland werden, in dem der fossile Brenner bereits 2035 der Vergangenheit angehört.“ Davon komme jedoch in der gesamten Verkehrskonferenz „kein Piep“ vor. „In Sachen Klima- und Ressourcenschutz bekommt die Staatsregierung und die CSU im Bundestag außer billigem Ampel-Bashing, Papier vollschreiben und heißer Luft nichts hin“, erklärt Brigitte Reinhardt dazu, die beim BUND Naturschutz aktiv ist und für die Grünen im Deggendorfer Kreistag sitzt.
Notwendig ist nicht nur die Umschichtung von Haushaltsmitteln, sondern auch die Umwidmung von Verwaltungen und Planungskapazität
Laut Klimaentscheid Deggendorf dürfe die Zukunft nicht einer derartig rückwärtsgewandten Politik überlassen werden, wie sich dies wieder einmal in der sogenannten Infrastrukturkonferenz gezeigt habe. Hierbei müssten nicht nur die finanziellen Mittel umgeschichtet werden: „Die diversen, hier versammelten Ämter und Verwaltungen müssen von der Politik die neue Aufgabe erhalten, den Verkehr durch Verkehrsvermeidung und Konzentration auf Rad, Bahn und ÖPNV auf klimafreundliche Wege zu bringen. Während immer noch Hundertschaften an Ingenieuren emsig an KFZ-Straßen und -Brücken planen und sich hierfür ständig neue Projekte überlegen, gibt es nach wie vor keine vergleichbare Verwaltung, die zum Beispiel einen brauchbaren Bus- und Bahnverkehr im Landkreis und in der Region plant und umsetzt. Entscheidend ist hier der politische Wille: wenn die Schweiz das hinbekommt, sollten wir das hier in Niederbayern auch hinbekommen“, fordert Reinhardt dazu weiter.
Werden wir in Sachen Klimaschutz „für blöd verkauft“?
Der „Klimaentscheid Deggendorf“ ist eine Gruppe von Verbänden, Initiativen, Parteien und Einzelnen, die erreichen wollen, dass der Landkreis Deggendorf bis zum Jahr 2035 klimaneutral wird. „Wenn wir solche Berichte lesen und zum Beispiel die Klimaschutzstrategie der Staatsregierung daneben legen, fragen wir uns allerdings zunehmend, ob wir nicht von den Politikerinnen und Politikern, mit denen wir über Wege zum Klimaschutz sprechen, für blöd verkauft werden. Der Verkehr ist in Bayern immerhin für ein Drittel der CO2-Emissionen verantwortlich. Mit den von MdB Erndl präsentierten Baumaßnahmen wird das kein Gramm weniger, sondern noch deutlich mehr“, so Klaus von Eichhorn abschließend.